Das Feeling von Dr. Livingstone - oder: unterwegs mit "Diktatours"

Tag 20

Mit gewaltigem Getöse donnern die Victoria Falls fast 100 Meter in die Tiefe. Auf dem Foto haben sich gleich zwei (!) Regenbögen in der aufsteigenden Gischt gebildet. Ganz wichtig: Wasserdichte Taschen oder Plastiksäcke für die Kameras mitnehmen - sonst ist es deren letzter Ausflug...
Das erste, was einem in Zimbabwe auffällt, ist ein ganz anderes Verhalten der "Locals". Gebeutelt von der fast auf den Tag genau 32 Jahre währenden Diktatur des Präsidenten Robert Mugabe, ist das Land in bitterer Armut versunken. Alles ist im Verfall begriffen. Der Putz am Airport bröckelt, die Straßen sind in einem erbarmungswürdigen Zustand, die landeseigene Airline ist bankrott und zu Beginn des Jahres hat man die eigene Währung abgeschafft, weil gleich in Billionen gerechnet werden musste. Die meisten Menschen sind mittellos - umso größer ist die Schere zwischen arm und reich, wenn die Touristen mit den täglichen Fliegern aus Johannesburg einfallen. Das Anbetteln ist aggressiv, und wenn nichts gekauft wird, fallen unschöne Worte in Landessprache. Das merkt man zumindest an der Körpersprache.

Es ist grotesk: Als ob die Kolonialzeit noch nicht vorbei sei, strömen alle Touristen in das gleichsam einzige akzeptable Hotel an den bekannten Victoria Falls. Jener gigantischen geologischen Stufe, an der sich der Zambesi ca. 100 Meter in die Tiefe stürzt. Das Victoria Falls Hotel ist ein (teils doch schon etwas baufälliger) Kasten aus der Zeit um die vorletzte Jahrhundertwende, in der nur Weiße auf den Terrassen, den Bars und Restaurants sitzen, während die Schwarzen bedienen. Die Preise sind gleich komplett auf europäischem Großstadtniveau - selbst ein Mittagessen ist mit 25 US-Dollar so teuer wie der halbe Monatsverdienst eines Zimbabwaners. Ein Gutteil des Geldes fließt vermutlich direkt in die Taschen des Regimes. Man hat sich eingezäunt. Und so sollte sich jeder überlegen, diesem Land einen Besuch abzustatten. Wir werden das jedenfalls, bevor sich die Regierung und die sozialen Verhältnisse nicht ändern, nicht wieder tun.



Dennoch sind die Victoria Falls natürlich extrem beeindruckend. Mit dumpfen Grollen wälzen sich jetzt, zum Ende der Regenzeit, bald 45.000 Kubikmeter Wasser pro Minute über die Abbruchkante des Zambesi. Eine Menge, mit der man eine Stadt wie Hamburg wohl 14 Tage problemlos versorgen könnte. Vom Hexenkessel in der Tiefe steigen enorme Gischtwolken bis zu 200 Meter hoch hinauf, die von Ferne aussehen wie Rauch. So heißen die Victoria Falls in der Landessprache des Kololo-Stammes (wieder einer mit seltsamen Klicklauten) "Donnernder Rauch". Als der britische Forscher Dr. David Livingstone die Fälle 1855 zum ersten Mal sah, war er überwältigt und benannte sie zur Ehren seiner Königin in Victoria Falls. Ein echter Tipp: Beim Gang zu den verschiedenen Aussichtspunkten sollte man bei hohem Wasserstand des Zambesi im Grunde nur eine Badehose (Shorts), ein T-Shirt und Badeschlappen tragen. Egal ob Schirm oder Regencape - man ist am Ende des etwa 40-minütigen Rundgangs bis auf die Haut durchnässt. Ganz wichtig: Unbedingt einen Müllsack oder eine wasserdichte Verpackung für die Kamera mitnehmen, sonst ist es deren letzter Ausflug.
Wenn die Sonne scheint (was eigentlich immer der Fall ist) bilden sich - je nach Windrichtung - schillernde Regenbogen. Dazu kommt das Weiß des quirlenden Wassers und das satte Grün der tropischen Vegetation. Genießen kann man das nur an den ersten drei oder vier Aussichtspunkten. Danach ist es wie in einer Waschstraße.
Die Guides sind das natürlich gewöhnt und kichern sich beim Entgegenkommen wissend zu. Wir treffen auf eine extrem beleibte Engländerin, die auf ein Regencape, leider aber auch auf einen BH unter ihrem völlig durchnässten T-Shirt verzichtete. Am Ende des Wanderwegs hat man übrigens einen tollen Blick auf die über 100 Jahre alte Eisenbahnbrücke über der Falls-Schlucht, von der sich ein paar junge Leute kreischend in die Tiefe stürzen. Am Bungeeseil natürlich. Eigentlich überraschend, wo erst wenige Wochen zuvor das Seil riss und eine Neuseeländerin in den Zambesi stürzte (sie überlebte mit viel Glück).
Mich hätte es ja auch gejuckt, aber angesichts der wenig vertrauenserweckenden Sicherheitsmaßnahmen nehme ich davon Abstand. Auch von einem Ultraleichtflug - auch hier muss man echtes Gottvertrauen haben. Helikopterflüge sind sehr teuer, finden aber ununterbrochen statt. Das wiederum macht den Aufenthalt im Victoria Falls Hotel tagsüber etwas nervig, denn das dauernde Geknatter geht einem nach kurzer Zeit auf die Nerven. Nach zwei Tagen stellt man also fest, dass einer vollauf gereicht hätte. Und richtig veräppelt kommt man sich vor, wenn die Sicherheitsbeamten am Airport plötzlich 50 US Dollar pro Person als Depature-Tax einfordern. Das ist unverschämt, zumal man schon 30 US-Dollar Einreisegebühr zahlen musste. Willkommen bei "Diktatours". Dieses Land ist von der Besuchsliste vorerst gestrichen...